(15. November 2022) Rödles – Vertreterin der Bundesregierung auf Stippvisite im Besengau – in dessen größten Kommune: in Bastheim. Genau genommen war der kleine Ort Rödles ihr Ziel. Und hier der zwar ausgedehnte Wald, der aber in Bezug auf die Besitzverhältnisse ungemein stark zersplittert ist und rund 340 private Eigentümer zählt zuzüglich Gemeinde Bastheim und Freistaat Bayern.
Das Projekt Rödles 4, das auch die weiteren Bastheimer Ortsteile Braidbach und Wechterswinkel einschließt, ist das aufwendigste der zahlreichen derzeit laufenden Waldneuordnungsprojekte des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE) Unterfranken. Zum einen ist die Fläche von rund 400 Hektar samt 38 Hektar Kommunalwald und 48 Hektar Staatsforst extrem kleinparzelliert – nämlich verteilt auf etwa 2200 Grundstücke mit meist nicht mehr als 500 bis 1000 Quadratmetern. Zum anderen besteht bei einem Anteil von 60 Prozent Fichte massiver Bedarf, den Wald mit klimaresistenten Baumarten Zug um Zug neuzubestocken.
Vor diesem Hintergrund folgte Dr. Manuela Rottmann, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium und Mitglied des Deutschen Bundestags aus Hammelburg, gern der Einladung von ALE-Behördenleiter Jürgen Eisentraut in den Landkreis Rhön-Grabfeld. Die anspruchsvollen Aufgaben und das vielfältige Leistungsspektrum der Verwaltung wollte sie in der täglichen Praxis kennenlernen. Dabei begleitete sie ihr Abgeordnetenkollege Niklas Wagener aus Aschaffenburg. Dieser hat selbst Forstwissenschaften studiert und zeichnet innerhalb der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen für das Thema Wald verantwortlich.
Zwei wesentliche Problemfelder treten in Rödles und Umgebung deutlich zutage: die sogenannte fränkische Realteilung, die eine Streifenflur von ungünstig geformten und dadurch nicht sinnvoll zu bewirtschaftenden Grundstücken hat entstehen lassen, sowie ein massiver Borkenkäferbefall vor allem der Nadelbäume nach etlichen Hitze- beziehungsweise Dürrejahren. Dass eine Waldneuordnung und in der Folge ein -umbau dringend vonnöten sind, haben die Betroffenen längst erkannt. 2016 formierten sie sich, nachdem das ALE offiziell das Verfahren Rödles 4 angeordnet hatte, zu einer Teilnehmergemeinschaft (TG) und wählten eine Vorstandschaft. Nun steht die Wertermittlung an.
Kürzlich erst nahmen Projektleiter Joachim Mair vom ALE, der örtlich Beauftragte Manfred Bauer und Wegebaumeister Herbert Seufert die Erschließungsarbeiten von der ausführenden Straßenbaufirma ab. Insgesamt hat diese zwischen Frühjahr 2021 und Oktober 2022 etwa acht Kilometer schwerlasttaugliche Schotterwege neu planiert und sieben bereits vorhandene Kilometer saniert; nur so kann das viele Käferholz überhaupt abtransportiert werden. Der Wegebau kostete rund 1,5 Millionen Euro. 85 Prozent trägt das ALE Unterfranken, die TG bringt einen Eigenanteil von um 1000 Euro pro Hektar auf.
Beim Treffen nun mit dem Berliner Regierungsmitglied Manuela Rottmann erläuterte Jürgen Hahn, der seit April dieses Jahres am Bad Neustadt Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Bereich Forsten leitet, dass der Kleinprivatwald in Franken und Bayern einen „Wohlstandsbauch“ angesetzt habe, gar über die weltweit höchsten Holzvorräte verfüge. Gerade in der Klimakrise berge dies jedoch Gefahren. Denn: Je dichter der Wald, desto mehr Wasser benötigt er und desto mehr Niederschläge erreichen den Boden nicht. Außerdem sind lange Stämme ideale Hebel für den Wind, und Stürme nehmen zu. Deshalb braucht es für die Zukunft einen „Stehaufmännchen-Wald“. Wenn dieser der 5-und-5-Regel gerecht wird, kann er nicht komplett kippen. Auf jedem Hektar Fläche sollen also 5 verschiedene Baumarten 5 verschiedener Altersklassen (vom Baby bis zum Methusalem) wachsen. Laienverständlich spricht man vom Mehrgenerationenmischwald. Nadelholzlastiger, oft einschichtiger Wald muss in einen standfesten, artenreichen, verschieden alten umgewandelt werden.
Offen angesprochen wurde, dass der Höchstproduktionswald nicht nur vom Markt belohnt, sondern auch von Politik und Gesellschaft unterstützt wurde. Wegen oft mangelnder oder ungeregelter Zufahrt zu den kleinen Parzellen konnte in diesem Privatwald zuletzt kaum noch Holz geerntet werden. Vermehrtes Umweltbewusstsein und hohe Energiekosten, so Diplomforstwirt Bernd Günzelmann vom ALE, hätten neuen Eifer entfacht, den nötigen Einschlag wieder zu erledigen.
Günzelmann hob hervor, dass in Bayern die Teilnehmergemeinschaft der Grundeigentümer für die Durchführung der Neuordnung vom Staat die Aufgaben einer „Unteren Flurbereinigungsbehörde“ vor Ort übertragen bekommt. Die Waldneuordnung ist eine Schwerpunktaufgabe des ALE Unterfranken. Einzelne, modellhafte Verfahren hat es schon ab den 1930er-Jahren immer wieder durchgeführt, seit etwa 20 Jahren ist die Nachfrage stark gestiegen. Eine Besonderheit von Rödles 4 ist, dass neben Privateigentümern und Kommune auch die Bayerischen Staatsforsten (Bay-SF) beteiligt sind. Für die Bay-SF kann im Verfahren durch eine Flächenarrondierung und eine Grenzbegradigung erreicht werden, für die Privatgrundeigentümer eine schlüssige Ringwegeführung.
Praktiker, Verwaltungsfachleute und politisch Verantwortliche setzten ihren intensiven Meinungsaustausch nach ihrer Waldbegehung im Dorfgemeinschaftshaus bei Kaffee und Kuchen fort. Bürgermeister Tobias Seufert hatte das Gästebuch der Gemeinde Bastheim mitgebracht. Hier hinterließen die Abgeordneten eine Widmung, die verrät, dass ihr Besuch ein echter Informationsgewinn für ihre parlamentarische Arbeit war.